Perfekt in allen Stellungen

Von  //  13. November 2012  //  Tagged: , , ,  //  5 Kommentare

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Das ist ein ganz entzückender, altmodischer Sexfilm. Du sollst keine Wörter aus dem Eskalierende Träume Vokabular inflationär entwenden, aber dieses ist hierfür einfach gemacht: Es ist so schön, wie die Figuren von den Seiten her ins Bild hinein- und heraus“trüben“. Und wie langsam und deutlich sie, ihren Vorschriften entsprechend, die Sätze artikulieren, das verströmt die Ruhe eines Ölofens.

Das introvertierte, brave Landmädchen Kathi, bei dessen Besetzung, glaub ich, an die junge Catherine Deneuve gedacht wurde, gerät als Stubenmädchen in das „Hotel Harmonie“ in der Wiener Bahnhofsstraße. Die Hotelgäste machen jeder in seinem Zimmer eine von den Sexarten, die die Schlagzeilen im Vorspann versprechen: Vergewaltigung! Sadismus! Sodomie! Homosexualität! Perversion! Onanie! Prostitution! Lespik! Sie spielen das so verhalten wie in einem alten „Kommissar“. Es ist auch ein bisschen wie in Jürgen Enz’ TAGEBUCH EINER SIEBZEHNJÄHRIGEN. Nur perverser.

PERFEKT IN ALLEN STELLUNGEN ist ein bescheidener, löffelbisquittrockener Film, der macht, dass man sich über Kleinigkeiten freut. Über die karge Ausstattung zum Beispiel: Philodendron, puderfarbene Nylon-Negligés, Zierbilder mit stilisierten Booten. Oder darüber, dass außerhalb des weiten Bildes nicht wie bei Enz ein faulig verwesender Schlager-Alleinunterhalter steht, sondern ein vertrocknender routinierter Wiener Unterhaltungsjazzgitarrist. Ich rieche wieder meine miefigen Oma-Schränke. Und alles ist säuberlich, schön leer, wie eine Wäscherei.

In einem Zimmer schläft eine spießige ältere, schamlose, autoritäre Dame mit Ruth-Brandt-Dauerwellen mit dem frechen, von ihr bezahlten „Bubi“, einem nackten, soften, talamontihaften Jüngling. In einem anderen peitscht ein fieses, angespanntes Bürgerpaar ein mitgebrachtes junges Ding: „Du Dreck! Du Stück Mist!“ Ein junger Typ wixt in Kathis Gegenwart unter der Bettdecke. „Nur ein gehemmtes Bürschchen“, beschwichtigt Kathis Chef, „ein armer Kerl, ein Student, der eben die Hotelatmosphäre und die gedämpften Geräusche braucht!“ In weiteren Zimmern befinden sich: Ein putzig turtelndes, schwules Gegensatzpärchen. Eine herbe, karge, in sich gekehrte Hundefreundin. Eine sympathische, alkoholkranke Prostituierte in der Art von Lindsay Lohan/Jenny Elvers. Ein im Kopf sehr langsamer, aber schön dunkel behaarter Gewaltverbrecher, der seiner Freundin mit gedehnter Diktion und schlaffen Gesten qualvoll zögerlich „droht“, sie gleich zu „gebrauchen“. Eine tranig-verpeilte Haschclique. Ein verstaubter Opa, der seine „Enkelin“ in Reizwäsche in einer privaten „Modenschau“ vor ihm paradieren lässt. Ein blasierter Geliebter („Brüste kann ich haben so viel ich will. Aber wo bleibt der Porsche, den du mir versprochen hast, du Busenkanone?“) Zwei Lesben, die, wie Enz-Mädchen, Sex machen, indem sie einander keuchend die Bäuche streicheln („Weißt du, Silberlamé, weißt du? (…) Das geht dich einen feuchten Staub an.“) Und alles ist gedämpft. Und trocken. Auf geile Weise leblos. Ich glaube, Kathis Erlebnisse im Hotel sind etwas, was die Leute gern in CHEMISCHE REINIGUNG, meinem Buch, gelesen hätten. Ich hätte es da selber gerne reingeschrieben, aber ich konnte nicht.

Es bleibt die Frage, wieso die Leute manchmal so sehr am Rand stehen, dass man sie kaum noch sieht. Das Bild ist breit – kann es sein, dass es trotzdem beschnitten ist? Denn es ist doch nicht denkbar, dass Herr Fronz die Kamera ins Zimmer gestellt und dann nicht mehr geguckt hat, ob sie auch alles aufnimmt? Wie auch immer: Das gefällt mir, natürlich, so bin ich nun einmal. Es gibt Menschen, die würden lange Zeit im Schloss von LETZTES JAHR IN MARIENBAD verbringen und den Männern bei dem Kartenspiel zusehen und den schönen Frauen beim Herumschleichen. Meine Art des Masochismus hingegen würde mich ins Harmonie Hotel verschlagen.

Österreich, 1971. Regie: Frits Fronz

Es befinden sich zwei DVDs in der mir vorliegenden, großzügig gestalteten „Frits Fronz Collection“-Geschenkpackung der Firma Alive/CMV Laservision Berlin. Ich habe bisher nur eine davon gesehen: Volume 2. Mit darauf ist auch ein früher, verschämter Film von Fronz: TOTAL VERSEXT. Ich habe ihn noch nicht zuende gesehen, aber er fängt damit an, dass eine Gruppe harmloser Herren reiferen Alters (wie in Heinz Erhardt Filmen, aber mit angeklebten Bärten) an einem See zeltet. Sie beobachten (niemals nackte) Bikinimädchen, die in der Nähe schwimmen, und erzählen sich humorig ihre gescheiterten, von Scham und Angst gepeinigten sexuellen Abenteuerversuche, in denen sie immer die Gelackmeierten sind.
Dazu zieren diese liebevoll schmierige DVD: eine spielbare Auswahl trister Schlager des Regisseurs unter dem Pseudonym Frank Roberts. Eine kleine, tabellarische Biographie, die mit der Überraschung aufwartet, dass Fronz später zum Gründer der österreichischen Partei „Die Grünen“ wurde. Und ein fünfzehnminütiges Interview mit Heidrun Fronz, der Gattin des Regisseurs, die darauf hinweist, dass die Ironie der Filme nicht verstanden worden sei.
Das ist alles ganz wunderbar und ein schönes Geschenk für den Herrn, am besten mit einem Scotch Vat 69, Batavia Zigarren und einem Satz fein gekämmter Damast-Taschentücher.

Hotel Harmonie

Kathi, bitte auf Zimmer 3!

Der fiese Chef

2012 ginge ein Aufschrei durchs Kino

„Brüste kann ich haben so viel ich will. Aber wo bleibt der Porsche, den du mir versprochen hast, du Busenkanone?“

Perversion!

Sodomie! (1)

Sodomie! (2)

Homosexualität!

Lespik!

Onanie!

Alkoholismus!

Prostitution!

Drogenmissbrauch! (er)

Drogenmissbrauch! (sie)

Vergewaltigung! („Armes Kleines! So sind die Männer eben. Überhaupt an heißen Tagen!“ )

ACHTUNG! HIER FANGEN SPOILER-BILDER AN!

Wie sie alle Liebe in den Dreck ziehen!

Kathi hält es nicht mehr aus.

In der Kirche rufen die Stimmen nach ihr. Kathi! Kathi!

Eine Blume im Dreck! Wie kommt sie nur in den Hotelabfall!

Nein, Kathi, nein!

Um Gottes Willen, Kathi!

Keine Angst. Die Blume kommt nachher in einen schönen Blumentopf.

Gerettet! Der Kommissar ist lieb. Und der junge Journalist, der wartet, auch.


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Über den Autor

Silvia Szymanski, geb. 1958 in Merkstein, war Sängerin/Songwriterin der Band "The Me-Janes" und veröffentlichte 1997 ihren Debutroman "Chemische Reinigung". Weitere Romane, Storys und Artikel folgten.

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5 Kommentare zu "Perfekt in allen Stellungen"

  1. Silvia Szymanski 14. November 2012 um 09:57 Uhr · Antworten

    Kollege Ecki hat die DVD im Augenblick, so dass ich den genauen Wortlaut gerade nicht nachschauen kann. Frau Fronz erwähnt es in dem Interview ebenfalls, wenn ich mich nicht täusche. Von einem Alleingang gehe ich tatsächlich aber auch nicht aus. Da gibt es bestimmt verschiedene Gründungsmythen. Ich hab mir das so vorgestellt wie auch in Deutschland bei den Grünen. Er war später auch Bürgermeister in einem Ort, dessen Namen ich mir leider nicht gemerkt habe. Das werd ich alles jetzt den Kollegen Heck fragen!

    • Manfred Polak 11. Februar 2017 um 00:57 Uhr ·

      Nach einer kleinen Pause (ach, die Zeit vergeht) hab ich mich mal ausführlich mit Fronz beschäftigt und ein paar interessante Dinge entdeckt. Was Sie schon immer über Frits Fronz wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten – jetzt auf Whoknows Presents! :-)

    • Alex Klotz 11. Februar 2017 um 18:52 Uhr ·

      Wow! Gute Arbeit!

  2. Manfred Polak 14. November 2012 um 02:00 Uhr · Antworten

    Dass Fronz die österreichischen Grünen gegründet haben soll, erscheint mir ein bisschen fragwürdig. Jedenfalls hat er sie sicher nicht im Alleingang gegründet. Wie man hier nachlesen kann, waren die Anfänge vielgestaltig, und die Partei wurde nicht monolithisch von oben herab gegründet, sondern durch Verschmelzung verschiedener Vorläufer-Parteien und Bürgergruppen. Und Fronz wird hier nicht erwähnt. Es fragt sich also, welche Partei genau er eigentlich (mit-)gegründet hat. Steht da im DVD-Set genaueres? Hoffentlich war es überhaupt eine der Parteien, die zu den „richtigen“ Grünen gehörten, und nicht eine jener obskuren bis rechtsextremen Gruppen, die „Grün“ im Namen führten (das ging bis zu Nazis wie diesen).

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